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Zwei LandesJugendAkkordeonOrchester NRW und Bayern

Hochklassiges Gemeinschaftskonzert

Das LandesJugendAkkordeonOrchester Nordrhein-Westfalen unter Leitung von Sascha Davidovic. Foto: Robert von Zahn

Das Publikum in der gut besetzten Trinitatiskirche erlebte ein ganz besonderes Konzert mit zwei LandesJugendAkkordeonOrchestern, die zu den Spitzen-Klangkörpern der deutschen Auswahlorchester gehören. Die Gäste vom LandesJugendAkkordeonOrchesters Bayern unter Leitung von Stefan Hippe kamen gerade von einer elftägigen Konzertreise, die die jungen Musizierenden von London in der St. Gabriels Church im Stadtteil Pimlico über Mons in Belgien im Konzertsaal des Conservatoire royal de Mons und Oelde im Münsterland in St. Joseph nach Köln führte und die anschließend mit einem gemütlichen Beisammensein bei Kölsch endete. Für das gastgebende LandesJugendAkkordeonOrchester Nordrhein-Westfalen unter Leitung von Sascha Davidovic war es quasi der Auftakt zu einer Kroatientournee.

Das LandesJugendAkkordeonOrchester Bayern unter Leitung von Stefan Hippe. Foto: Robert von Zahn

Und beide Dirigenten äußerten sich anschließend sehr zufrieden. Sascha Davidovic: „Das Konzert fand ich sehr abwechslungsreich, beide Orchester spielten technisch und musikalisch ein sehr schwieriges Repertoire auf hohem Niveau. Für uns war das quasi Generalprobe für die Kroatienreise, für Stefan Hippe sein letztes Konzert mit den Bayern.“ Stefan Hippe: „Mein Eindruck vom Konzert war sehr positiv. Sowohl das Orchester aus Nordrhein-Westfalen als auch die Bayern waren sehr gut vorbereitet und haben mit großer Musizierfreude und großem Engagement virtuos musiziert. Die Kirche war gut besucht, alle Zuhörer haben  begeistert Applaus gespendet. Ein gelungener Abend.“

Unter den Gästen war auch Dr. Robert von Zahn, Geschäftsführer desLandesmusikrates Nordrhein-Westfalen: „Das LandesJugendAkkordeonOrchester Nordrhein-Westfalen präsentierte die sinfonische Dichtung „Reunification“ des ukrainischen Komponisten Borys Lyatoshinsky, einen Symphonischen Tanz von Sergej Rachmaninoff und Elgars „Nimrod“ mit viel Schwung und Elan. Das LandesJugendAkkordeonOrchester Bayern interpretierte unter anderem Carl Maria von Weber sowie Werke und Bearbeitungen von Stefan Hippe. Viel Perkussion sorgte bei beiden Ensembles für eine groovige Grundlage, am großen Becken Gerhard Koschel, der bereits beide Ensembles eine Zeitlang geleitet hat. Die Trinitatiskirche war gut besetzt, und das Publikum folgte den Orchestern mit großem Enthusiasmus.“

Die Gastgeber eröffneten ihr Programm mit „Reunification – Poem über die Wiedervereinigung“ von Borys Lyatoshinsky. Dieses hier wenig bekannte Werke hatte Peter Lohmar, selbst langjähriges Mitglied des LJAO NRW, für das Akkordeonorchester arrangiert. Der Komponist stammt aus der russischen Schule der Jahrhundertwende, nahm aber auch Einflüsse französischer Impressionisten auf. Das Jugendsymphonieorchester der Ukraine unter Oksana Lyniv hat das virtuose Werk, das Melodien und Tänze der Ost- und Westukraine vereint, nach fast 70 Jahren des Vergessens 2021 aus den Archiven des Ukrainischen Rundfunks ausgegraben.

Noch zwei weitere Arrangements klassischer Werke von Peter Lohmar standen auf dem Programm: Sergej Rachmaninoff hat seine Symphonischen Tänze op. 45 1940 in den USA geschrieben. Im 1. Satz, den die jungen Musikerinnen und Musiker spielten, zitiert er ein Motiv seiner Sinfonie Nr. 1, das charakteristisch ist für die russische Kirchenmusik. Er verarbeitet in den „Fantastischen Tänzen“ die Veränderungen in seinem Leben – so wurden die Sätze auch Mittag, Sonnenuntergang und Mitternacht bezeichnet. Außerdem erklang „Nimrod; Adagio“, die 9. Variation aus den Enigma Variationen op. 36 des britischen Komponisten Edward Elgar. Sie ist August Jaeger gewidmet, der 1898 seinen Freund Elgar ermutigte, weiter zu komponieren und sich ein Beispiel an Ludwig van Beethoven zu nehmen, der auch viele Sorgen hatte.

Von Akkordeonorchestern erklingt häufiger die Originalkomposition „Sinfonietta dramatika“ des serbischen Komponisten Stevan Divjakovic. Sie beginnt mit einer schmerzvollen Melodie, die immer wieder von harten Akkordrepetitionen – wie Gewehrschüsse – unterbrochen wird. Nach einem dynamischen Aufbau, der Hoffnung schöpfen lässt, mündet die Musik in einen lebhaften Balkantanz. Der 6/8-Takt wird aber von vielen 5/8- und 7/8-Takten durchbrochen, so dass der Rhythmus nicht greifbar bleibt – das symbolisiert die Verwirrungen des Krieges. Nach einem ruhigen Teil der Orientierungslosigkeit folgt ein furioses Finale – strukturiert in einem ausgelassenen 4/4-Takt. Und immer wieder gerne gespielt und gehört wird auch von Georges Bizet die Farandole  aus der L’Arlésienne Suite No.2, eine Kombination aus provenzalischen Volkstänzen und dem alten französichen Weihnachtslied „March die Rei“, das LJAO spielte ein Arrangement von Matthias Hennecke.

Das LandesJugendAkkordeonOrchester Bayern begann sein Programm mit der Jubel-Ouvertüre op. 59, die Carl Maria von Weber 1818 als königlicher Kapellmeister am Dresdner Hof komponierte, arrangiert von Stefan Hippe. Nach einer breit angelegten, feierlich schreitenden Einführung kommt ein lebhaftes Presto assai. In der Coda folgt die Hymne „Heil dir im Siegerkranz“, die viele Komponisten verwendeten, aber Weber hier brilliant einsetzt. Weitere sehr bekannte klassische Werke im Repertoire der Bayern waren das reizvolle „Hornpipe“ aus der „Wassermusik“, genauer der Trompeten-Suite D-Dur, die Georg Friedrich Händel 1717 im Auftrag des englischen Königs Georg I. schrieb, im Arrangement von Adolf Götz, der „Slawische Marsch“, in dem Pjotr Iljitsch Tschaikowski den Kriegsverlauf des serbisch-türkischen Krieges von 1876 bis 1878 beschreibt, im Arrangement von Katja und Stefan Hippe, sowie „Pomp and Circumstances“, den beliebten Marsch Nr. 1 von Edward Elgar, der nicht nur bei der „Last Night of the Proms“, sondern auch bei den Commonwealth Games gespielt wird, im Arrangement von Werner Niehues.

Eine besondere und ganz neue Originalkomposition hatte Stefan Hippe mit seinem eigenen Werk „Overpainting“ einstudiert, aus dem das LJAO Bayern in Köln den 4. Satz präsentierte. Die ersten vier Sätze entstanden im Auftrag des Deutschen Harmonika-Verbandes Bayern und wurden im Juli 2023 auch von diesem Auswahlorchester in München uraufgeführt. Basis sind von Wolfgang Jacobi die „10 polyphonen Stücke nach spanischen Volksliedern“ für Akkordeon Solo, dieser hat iberische Musik umarrangiert, ergänzt, verdeckt – wie eine Übermalung in der Kunst. Und Stefan Hippe hat sechs davon für Akkordeonorchester bearbeitet, vergrößert, verändert… – wie eine zweite Übermalung. Außerdem hatten die jungen Musizierenden von Silvestre Revueltas „Sensemaya“, arrangiert von Philipp Haag und Wolfgang Ruß, im Programm, ein anspruchsvolles Konzertstück des bedeutenden mexikanischen Komponisten, der mit vierzig Jahren starb, aufgerieben von Arbeit und Alkohol.  Darin verschmelzen mexikanische Folklore mit avantgardistischer Musik in brillanter und lebendiger Weise, manchmal dissonant, aber immer mitreißend.

Insgesamt also ein hochklassiges und sehr abwechslungsreiches Gemeinschaftskonzert, das sowohl Bekanntes als auch Neues präsentierte – mit großer Leidenschaft der Musizierenden zur Begeisterung der Konzertbesucher in Köln.

Anita Brandtstäter, Nordrhein-Westfalen

Der Mitschnitt des Konzerts ist auch online auf Youtube. < KLICK >